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Markus Hiereth Radio Okerwelle, Braunschweig
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05.2009

AUSSTELLUNG VON CLARE STRAND
am Braunschweiger Museum für Photographie

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Beitrag

Einen halben Meter über dem Boden schwebt, den Rücken gekrümmt wie eine Garnele, eine junge Frau. Clare Strands Foto aus der Serie "Conjurations"/ "Beschwörungen" birgt ein Rätsel: Wo ist die Erdanziehung geblieben? Eine platte Montage mit einem Bild des leeren Raumes und einer um 90 Grad gedrehten Aufnahme dieser Frau, hängt hier nicht vor uns. Und falls dies doch ein Teil der Wahrheit ist, nach welchem Mittel griff die Bildautorin, damit die langen Haare, die Arme, der dünne Stoff des Kleides scheinbar zu Boden hängen? Die Frage, ob ein Werk wie dieses mühevoll geplant werden musste, erbringt keine diesen Fall entschleiernde, sondern eine allgemein gehaltene Antwort der Künstlerin Clare Strand.

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Ich denke, das Medium Fotografie ist, was mich am meisten beschäftigt.

Dass die Beziehung zwischen Fotografie und Wirklichkeit eine durchgehend heikle ist und wir unseren Augen besser nicht glauben sollen - es wirkt, also wollten Clare Strand und das Museum für Photographie überall in der Ausstellung darauf aufmerksam machen.

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Alle meine Arbeiten behandeln ein gewisses Thema. Es ist immer etwas, worüber ich lange nachgedacht habe. Und wenn ich dann Recherchen darüber anstelle und dann feststelle, dass der Fotografie darin eine Rolle zufiel, dann wird ein Werk daraus.

Die Absicht, mit der auf den Auslöser gedrückt wird, mit der ein Foto in einen gewissen Zusammenhang gestellt wird, bestimmt das Ergebnis und wie der Betrachter es für sich auslegt. Der Titel einer Serie von Portraits junger Frauen verweist auf eine spezielle Absicht, nämlich, die "Aura" der Abgebildeten festzuhalten.

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Nehmen Sie zum Beispiel "Unseen agents". Junge Leute waren schon immer aufgeschlossener für Grenzerfahrungen. Das ist der Fachliteratur nachzulesen. Es gibt auch eine Reihe von Hollywoodfilmen, die so etwas aufgreifen: Carrie, Firestarter und andere, in deren Mittelpunkt junge Frauen mit paranormalen Fähigkeiten stehen. Man findet auch häufig Texte, in welchen die Rede davon ist, dass junge Menschen da besondere Energien haben.

Die entsprechenden Belege und Beweise sind für Clare Strand nicht vornehmlich dubios, sondern die Künstlerin versteht sich als Experimentierende. Sie folgte also diesem Pfad, ließ ihre Modelle in einem Studio für Aura-Fotografie ablichten und nahm dort etliche kleine Fotos mit.

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Die Kamera in diesem Zusammenhang einzusetzen, ist gar kein Problem, sondern perfekt. Deswegen mache ich solche Arbeiten: Sie erzählen von paranormalen Erscheinungen und zugleich von der Macht der Fotografie.

In Schwarz-Weiß auf Metergröße gebracht reihen sich die Aura-Fotos nun in der Ausstellung des Fotomuseums. Der Rundgang durch die vier Ausstellungsräume mit den vier Serien spiegelt profane Seiten der Fotografie, zeigt, wie sie in Verfolgung eines Zweckes benutzt wird.

Offenbar nicht im Bild liegt die Kunst, sondern Clare Strand praktiziert die Kunst, anhand von Bildern Wege zu beschreiten und so in ein Terrain von Glaube und Behauptung vorzustoßen. Dort angesiedelt ist etwa die Kirlian-Fotografie, welche elektrische Erscheinungen am und im Körper sichtbar zu machen verspricht.

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In solchen Praktiken fußt eines meiner Projekte, ich nehme diese Ansätze auf und schaue, was ich mit meinen Mitteln nachstellen kann. Das gilt für alle meine Projekte.

Pfeile und Zahlen in den Fotos der Serie "Signs of a struggle" / "Spuren eines Kampfs" erinnern an Beweissicherung und Verbrechensaufklärung. Begleitend informiert das Museum, dass Clare Strand bei dieser Arbeit an ein Stück des Theaterautors Eugene Ionesco gedacht hat, worin eine ganze Stadt einen Killer fürchtet, der jedoch ein Phantom bleiben wird. Die Quintessenz könnte lauten, dass die Wirklichkeit ärmer als der Inhalt in unseren Köpfen ist.

Wie aber ließe sich daraus ein Argument für den Besuch der Ausstellung ableiten? Wohl am ehesten anhand der Serie "Gone astray" / "Verloren gegangen", für die Clare Strand befremdende Vorgänge inszenierte und flüchtige Momente daraus in sehr klaren Schwarz-Weiß-Bilder fixiert hat, so dass die Serie auf den Flecken Londons, an welchem sie entstand, zwar neugierig macht, aber die entsprechenden Empfindungen eben nicht zu der Palette gehören, die man im Reisebüro buchen könnte. Dieser Teil Londons sei ...

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... sehr mysteriös. Sie sehen ja auch, dass es sich durchgehend um Nachtaufnahmen handelt. Der Boden ist sehr wichtig, die Kamera ist oft abwärts gerichtet so dass man überlegt, was ist über der Erde, was ist darunter verborgen. Diesem Stadtteil hängt für mich etwas ängstigendes und fluchbeladenes an.

Abmoderation

Die Übersetzungen in meinem Bericht zu "Clare Strand - Fotografie und Video" sprach Susanne Wilke. Sie finden die Ausstellung bis zum 28. Juni in Braunschweig im Museum für Photographie an der Helmstedter Straße 1. Die Öffnungszeiten sind dienstags bis sonntags immer von 13 bis 18 Uhr. Eine Führung wird jeden Sonntagnachmittag um 16 Uhr angeboten. Der Eintritt beträgt 2,50 Euro, ermäßigt 2 Euro.