Bayern 2
Markus Hiereth
Markus Hiereth
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1106we2
13.06.2011

WEIKI - DIE WEIHENSTEPHANER KIWI


Audiodatei unter
http://www.hiereth.de/multimedia/1106we.ogg
3 MByte / 5 min 38 s

Anmoderation

Braun wie Kartoffeln und haarig - verführerisch kommt sie nicht gerade daher, die neuseeländische Kiwi. Trotzdem fliegen und schwimmen sie um die ganze Welt, weil auch bei uns die Leute in ihrem grünen Inneren löffeln wollen. A wen'g g'spaßig ist das Rundumadum mit dem Obst insofern, als die Kiwi schon Verwandtschaft in Bayern hat: Die Weihenstephaner Kiwi, abgekürzt "Weiki". In Hangenham hat sich Markus Hiereth dieses Gewächs angeschaut. Darum kümmern tut sich Hermann Schimmelpfeng. Er meint, des wär' überhaupt koa Arbeit.

Beitrag

hs

Sie ist von A bis Z anspruchslos. So ein Blatt - wenn wir das beim Apfel hätten: Ohne Schorf, ohne Mehltau, ohne Blattsauger, also, es ist unglaublich. [...] Wenn ich die Dinger in einen Baum kommen lasse, sind die in Nullkommanix oben. Bäume mit zehn Metern packen die ungesehen ein.

So ungestüm die Weiki rankt, so zurückhaltend begegnet sie dem Frühling. Trotz unentwegtem Sonnenscheins ließ sie sich auch heuer erst zu ihrer Zeit, Ende Mai auf's Blühen ein. Zwischen glänzendem Laub hängen zahllose Glöckchen in weiß.

hs

Schauen sie mal, was wir jetzt hier für schöne große Blüten haben. Und jetzt sehen Sie den Strahlengriffel und unter diesem Strahlenkranz ist ein Fruchtknoten. Der ist schon verhältnismäßig groß. Das sind also drei, vier Millimeter.

Dem in feinsten Strahlen auslaufenden Griffel verdankt die Pflanzenfamilie ihren Namen "Strahlengriffelgewächse". Wenn er leicht erkennbar in der Blüte sitzt, hat man es mit einer weiblichen Pflanze zu tun; die nur dann Früchte ansetzt, wenn es in der Nähe mindestens eine männliche gibt.

hs

... wir kommen zu den Männchen. Das steht bewusst in der Ecke, um nach da und dort alles abdecken zu können. Was wir jetzt nicht sehen können: Die Bienen fliegen wahnsinnig gerne, aber nur in der Früh. Scheinbar klebt der Pollen bei Hitze und nachmittags nicht mehr. Und jetzt sehen Sie: Das sind nicht drei, sondern sieben aus einer Blattachsel.

Sieben Glöckchen-Blüten in einer Blattachsel, noch ein Unterschied zu den Weibchen. Jahrzehntelang hat sich Hermann Schimmelpfeng am Freisinger Lehrstuhl für Obstbau mit der Kiwi befasst. Begonnen hatte alles mit Samen, den Schimmelpfengs damaliger Chef Günther Liebster aus irgendeinem botanischen Garten bekommen hat. Entlang eines Zaunes kam er in die Erde und unbeachtet wuchsen die Pflanzen heran.

hs

Anfang der 70er Jahre entdeckten Mitarbeiter im Spätherbst im Laub versteckt grüne, stachelbeergroße vielsamige Beeren und das war was völlig Ungewöhnliches im Oktober, als das Laub anfing, abzufallen. Und dann passierte wirklich Folgendes: Die hat sich keiner getraut zu essen. Weil man mit der Beere nichts anzufangen wusste. Dann habe ich den Vorkoster gemacht und als ich am nächsten Tag wieder zum Dienst erschien, haben sie alle mitschnabuliert und dann war das letzten Endes die Geburtsstunde der Weihenstephaner Kiwi, der Weiki.

Gerne räumt Hermann Schimmelpfeng ein, dass die Weiki ihrer wilden Verwandtschaft noch nah ist. Die wächst in der Mandschurei, in Ostsibirien und Korea. Dort wie hier trotzen die Strahlengriffler Frösten bis zu minus dreißig Grad. Siebzig verschiedene Aromastoffe, das sind fünfmal mehr als bei der normalen Kiwi, wurden in den Weiki-Früchten nachgewiesen. Feine Gaumen bestätigten die Labors.

hs

Die Schweizer hatten als erste 'mal Kiwis - nicht rund um den Globus, aber überall, wo sich jemand mit den wilden auseinandersetzte - gesammelt und haben [gesagt]- das war ein großes Lob für uns: Die Weiki schmeckt am besten.

Abgesehen vom Geschmack sprechen Mineral- und Vitalstoffe wie Carotin und Lutein für das Aufessen, Je nach Standort und Reife enthält das Fruchtfleisch der Weiki vier- bis achtmal mehr Vitamin C als das der Orange. Wobei laut Hermann Schimmelpfeng eine Rolle spielt, dass die wertvollsten Inhaltsstoffe beim Obst immer unter der Schale sitzen und man die der glatten und unbehaarten Weiki mitessen kann. Bis zu 20 Kilogramm walnußgroße Früchte trägt ein Strauch. In Jutta Schimmelpfengs Küche werden Saft und Marmelade daraus. Sie püriert die Weiki auch im Mixer und friert das Mus roh ein.

Zwar pensioniert, doch nichtsdestoweniger passioniert kreuzt Hermann Schimmelpfeng verschiedene Spielarten des grünen Kletterers. Für den Hausgarten geht es ihm um klein bleibende, robuste Männchen. Und um Weibchen, deren Triebe sich nicht Tag um Tag eine Handbreite längen; das wohlgemerkt ohne Gießen, Dünger und Spritzbrühe.

hs

Deshalb wäre es falsch, wenn jetzt irgendwelche internationalen, großräumiger arbeitenden Firmen die Pflanzen aus der Mongolei beispielsweise [holten]: Irgendwann wird ein Schädling miteingeschleppt und dann haben wir den Ärger. [...] Also hier wäre es ein Jammer, wenn der kleinste Schädling dann solche Pflanzen vorfindet, fühlt sich der ja auch sehr wohl.

Abmoderation

Zu kaufen gibt es die Weiki ab Ende September auf Wochenmärkten. In manchen Plantage kann man sie selber brocken. Wer es mit einem Weiki-Pärchen im eigenen Garten versuchen will, bekommt im Herbst und im Frühjahr Pflanzen im Handel oder kann sie über das Internet bei der Technischen Universität München bestellen.