Leserbrief zu "Windkraft in Mauern: die Ungewissheit bleibt" im Freisinger Tagblatt vom 25.11.2016

Vermisste Vorsorge, zum Greifen naher Infraschall

Der vermutlich wichtigste Beitrag von Bernhard Brenner an diesem Abend im Mauerner Rathaus war der Hinweis auf Örtlichkeiten, an welchen Mensch und Tier typischerweise Infraschall ausgesetzt sind: Am Rand von Straßen und im Auto selbst, an gewissen Arbeitsplätzen und beim Urlaub am rauschenden Meer. Hinzu kommen jetzt Windräder und Klimaanlagen beziehungsweise Wärmepumpen.

Schwierig war wieder, sich einen Reim auf all die Diagramme zu machen. Es wunderte nicht, dass ein Raunen durch den Saal ging, als der Experte vom Landesamt für Gesundheit erklärte: Später, wenn mehr große Windkraftanlagen liefen, sei mit weiteren Erkenntnissen zu gesundheitlichen Folgen zu rechnen. Klar: Von einer Behörde erwarten die Bürger Vorsorge und Schutz.

Womit nun schlägt sich laut Tagblatt-Ausgabe des Vortages (24.11.) eine andere Gemeinde im Landkreis (und in der Vergangenheit wegen des Behördenfunks auch Mauern) herum? Mit Antennen. Einen Streit über so genannten "Elektrosmog" entfachte 1979 eine Statistik zu Kinder-Leukämie in der Nähe von Hochspannungsleitungen [1]. Beim Energietransport als Wechselstrom sind Abstrahlungsverluste technisch unvermeidbar. Rund zwanzig Jahre später begann der Transport von Daten per Funk in die "Umwelt" einzuziehen. Dabei ist abgestrahlte Energie nicht Nebenerscheinung, sondern Sinn und Zweck: Kein Empfang am "Handy" ohne Sender.

Allmählich gewöhnt sich die Menge an Antennen landauf landab. Aufregung gibt es jedoch, wenn im eigenen Wohnumfeld neue Masten in Planung sind. Ich persönlich wiederum gewöhnte mich an zweierlei: Erstens, dass gefordert wird, das Nichtvorhandensein von etwas möge bewiesen werden. (Wirklich beweisen lässt sich bloß Vorhandenes. Es sind Scharlatane, die verlangen, etwas wie Unschädlichkeit möge bewiesen werden.) Zweitens, wissenschaftliche Veröffentlichungen zu "Elektrosmog", welche mit dem Ruf enden, neuen Studien mögen weitere Aufschlüsse zu Bedenklichkeit oder Unbedenklichkeit erbringen.

Derweil vollzieht sich der Lauf der Dinge: Bis in den letzten Winkel umgeben wir uns mit drahtloser Technik, oder, sagen wir es abfällig, mit "Elektrosmog". Dessen "Härte", das heißt, die Tiefe, mit der er in den Körper eindringt und sein zellschädigendes Potential, steigt mit der Frequenz. Die 50 Hertz der Wechselspannungs-Energieübertragung sind eine niedrige, die 900 Millionen Hertz der Mobilfunksender eine hohe. Für jeden Frequenzbereich elektromagnischer Wellen gibt es typische Schäden: Zuviel Infrarot-Strahlung zieht "normale" Verbrennungen nach sich, zuviel ultraviolettes Licht Sonnenbrand, zuviel Gammastrahlen den Tod von Zellen oder die Entartung von Gewebe, mit anderen Worten, Krebs.

Entfernt hat die Debatte der Leonhardsbucher Gemeinderäte über einen 28,5 Meter hohen Masten wohl schon damit zu tun. Pikant und neu im Körbchen so genannter Sachzwänge ist der Zweck einer an diesem Mast zu befestigenden Antenne. Nachdem es das "autonom" fahrende Auto auf die Agenda von Politik und Wirtschaft geschafft hat, braucht es entlang der Nürnberger Autobahn scheinbar Sender als Leitplanken. Ob der Autofahrer, wie andere Konsumenten vor ihm, mitziehen wird, wissen wir in zehn oder zwanzig Jahren.

Markus Hiereth
Günzenhausen

Elektrosmog: Neue Hinweise auf Gefahren, in Der Tagesspiegel, 14.03.1993